Preiswürdige Brücke in Hartmannshain

Die historische Eisenbahnbrücke in Hartmannshain wurde für den Hessischen Denkmalschutzpreis nominiert. Die Jury besichtigte das Bauwerk.

HARTMANNSHAIN. Bü­sche wu­cher­ten aus dem Mau­er­werk, Stei­ne brö­ckel­ten, ein­si­ckern­des Was­ser griff die Kon­struk­ti­on an: Vor fünf Jah­ren stand es äu­ßerst schlecht um die 1905 er­bau­te Bo­gen­brü­cke über die ehe­ma­li­ge Bahn­tras­se bei Hart­manns­hain. Die Ab­riss­ge­neh­mi­gung lag be­reits fer­tig auf dem Tisch. Doch nie­mand hat­te mit dem En­ga­ge­ment der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger von Hart­manns­hain ge­rech­net, die zu­erst eine Bür­ger­initia­ti­ve und dann ei­nen För­der­ver­ein grün­de­ten, um „ihre“ Brü­cke zu ret­ten, die eine der we­ni­gen sicht­ba­ren Er­in­ne­run­gen an die gro­ße Zeit von Hart­manns­hain als lo­ka­ler Ei­sen­bahn­kno­ten­punkt mit dem höchst­ge­le­ge­nen Bahn­hof Hes­sens ist. Ein En­ga­ge­ment, dass am Ende von Er­folg ge­krönt sein soll­te, denn die Brü­cke wur­de nicht ab­ge­ris­sen, son­dern sorg­fäl­tig und mus­ter­gül­tig sa­niert. Und jetzt ge­hört das 1905 er­rich­te­te Bau­werk aus re­gio­nal­ty­pi­schem Ba­salt so­gar zu den hei­ßen An­wär­tern für den jähr­lich ver­ge­be­nen Hes­si­schen Denkmalschutzpreis.

För­der­ver­ein gegründet

„Ohne die­se Leu­te wür­den wir jetzt nicht hier auf der Brü­cke ste­hen“, un­ter­strich Bern­hard Hof­mann, Amts­lei­ter für Bau­en und Um­welt beim Vo­gels­berg­kreis, die ent­schei­den­de Rol­le der eh­ren­amt­lich En­ga­gier­ten vom För­der­ver­ein His­to­ri­sche Brü­cke Hart­manns­hain an­läss­lich der Be­sich­ti­gung durch die Jury des Denk­mal­schutz­prei­ses. Ge­mein­sam mit Cor­ne­li­us Hopp, Be­zirks­denk­mal­pfle­ger für den Vo­gels­berg­kreis und den Land­kreis Hers­feld-Ro­ten­burg, hat­te Bern­hard Hof­mann die Brü­cke für den Hes­si­schen Denk­mal­schutz­preis 2022 vor­ge­schla­gen. 20 Be­wer­ber gab es in die­sem Jahr für den Preis, wo­von letz­ten En­des neun in die en­ge­re Aus­wahl aus­ge­kom­men sind — ein­schließ­lich der Hart­manns­hai­ner Brü­cke. Über zwei Tage hin­weg, am Diens­tag und am Mitt­woch, ist eine 16-köp­fi­ge Jury un­ter dem Vor­sitz von Dr. Mar­kus Har­zenet­ter, dem Prä­si­den­ten des Lan­des­am­tes für Denk­mal­pfle­ge Hes­sen, im ge­sam­ten Bun­des­land un­ter­wegs zu ei­ner Be­sich­ti­gung der preis­wür­di­gen Baudenkmale.

Fast ge­nau 70 Jah­re lang dien­te die Brü­cke ih­rem ur­sprüng­li­chen Zweck. Sie soll­te den Land­wir­ten aus Hart­manns­hain ei­nen Weg über den beim Bahn­bau künst­lich an­ge­leg­ten Ge­län­de­ein­schnitt zu ih­ren Fel­dern und Wie­sen im öst­li­chen Teil der Ge­mar­kung er­mög­li­chen. Auch meh­re­re Wan­der­we­ge füh­ren bis heu­te über die Brü­cke. Durch den Lü­cken­schluss der Vo­gels­berg­bahn zwi­schen Gre­ben­hain-Crain­feld und Ge­dern wur­de das einst bet­tel­ar­me Hart­manns­hain nach 1906 zur Bahn­sta­ti­on und zum Ei­sen­bah­ner­dorf, in dem der Schie­nen­ver­kehr Men­schen in Lohn und Brot brach­te. Und erst durch die Bahn wur­de die Her­chen­hai­ner Höhe zum An­zie­hungs­punkt für den Tou­ris­mus. Im Win­ter brach­ten Sk­i­son­der­zü­ge re­gel­rech­te Men­schen­mas­sen aus dem Rhein-Main-Ge­biet nach Hart­manns­hain und wie­der zurück.

Mit dem Sin­ken der Be­deu­tung der dann 1975 still­ge­leg­ten und in der Fol­ge ab­ge­bau­ten Ne­ben­bahn­li­nie be­gann frei­lich etwa ab 1960 die Ver­wahr­lo­sung des Bau­werks. „Als die Brü­cke 2017 ab­ge­ris­sen wer­den soll­te, ging ein Auf­schrei durch Hart­manns­hain. Die Hart­manns­hai­ner woll­ten die Brü­cke er­hal­ten, denn sie stellt ei­nen ho­hen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fak­tor für das Dorf dar“, er­klär­te Ar­chi­tek­tin Dag­mar Zinn, die für die Pla­nung der Brü­cken­re­stau­rie­rung ver­ant­wort­lich war. Mit der Fir­ma Bau­kult aus Hatz­feld (Eder) und ih­rem Ge­schäfts­füh­rer Hei­ko Nig­mann habe ein in Sa­chen Denk­mal­schutz äu­ßerst kom­pe­ten­ter Part­ner für die Aus­füh­rung der Ar­bei­ten ge­won­nen wer­den kön­nen. „Es war mehr ka­putt, als wir am An­fang ge­dacht ha­ben. Aber wir ha­ben auch klei­ne Schät­ze wie­der­ge­fun­den, wie Stei­ne aus dem ori­gi­na­len Bau­be­stand, die wie­der­ver­wen­det wer­den konn­ten“, so Dag­mar Zinn.

Eine be­son­de­re bau­li­che Her­aus­for­de­rung stell­te auch die Re­stau­rie­rung des noch im Ur­sprungs­zu­stand er­hal­te­nen guss­ei­ser­nen Brü­cken­ge­län­ders dar. Ei­ni­ge der schad­haf­ten Pfos­ten wur­den da­bei durch ori­gi­nal­ge­treue Ab­güs­se er­setzt. Dipl.-Ing. Ha­rald Roth von der Fir­ma Roth Guss GmbH aus Stock­hausen, wel­che das Ge­län­der re­stau­riert hat, er­klär­te den Ju­ry­mit­glie­dern die ent­spre­chen­den Ar­beits­schrit­te. Rund zwei­ein­halb Stun­den dau­er­te es je­weils, um ei­nen der Ge­län­der­pfos­ten nach­zu­gie­ßen, wo­bei wie bei den Ori­gi­nal­tei­len mit Grau­guss ge­ar­bei­tet wur­de. „Mei­ne Amts­vor­gän­ger wa­ren schon ge­neigt, das Ge­län­der we­gen der vie­len Kor­ro­si­ons­schä­den auf­zu­ge­ben. Eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung war es zu­dem, die heu­ti­gen gel­ten­den Nor­men zur Ab­sturz­si­che­rung ein­zu­hal­ten. Aber es hat sich de­fi­ni­tiv ge­lohnt“, so Be­zirks­denk­mal­pfle­ger Cor­ne­li­us Hopp.

„Es ist ein­fach toll, dass un­se­re Brü­cke eine sol­che Auf­merk­sam­keit er­fährt. Durch die vie­len Spen­den, nicht zu­letzt auch vom Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge, hat un­se­re Sa­che erst so rich­tig Schwung be­kom­men kön­nen“, wies För­der­ver­eins-Vor­sit­zen­der Gerd Köh­ler auf die Spen­den hin, die die Ret­tung der Brü­cke erst er­mög­licht hät­ten. Zur För­de­rung durch das Hes­si­sche Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge, die Deut­sche Stif­tung Denk­mal­schutz, die OVAG und die Ge­mein­de Gre­ben­hain ka­men un­ter an­de­rem noch vie­le klei­ne­re und grö­ße­re Spen­den so­wie die Ein­nah­men aus den bei­den Hart­manns­hai­ner „Brü­cken­ta­gen“ 2018 und 2019 und eine pri­va­te Groß­spen­de, wel­che hal­fen, die Sa­nie­rungs­sum­me von rund 390 000 Euro aufzubringen.

„Ein klei­ner Ort mit we­ni­ger als 250 Ein­woh­nern hat es ge­schafft, mit sei­nem En­ga­ge­ment in dem För­der­ver­ein durch Spen­den den Ei­gen­an­teil für die Re­stau­rie­rung der Brü­cke auf­zu­fan­gen. Das ist eine gi­gan­ti­sche Leis­tung, die der Ort Hart­manns­hain er­reicht hat“, zoll­te Mar­kus Har­zenet­ter als Hes­sens obers­ter Denk­mal­pfle­ger dem För­der­ver­ein His­to­ri­sche Brü­cke Hart­manns­hain sei­ne Anerkennung.

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