
WIESBADEN/HARTMANNSHAIN. Wäre vor fünf Jahren alles nach „Plan“ verlaufen, wäre die schöne Basaltbogenbrücke über die frühere Trasse der Vogelsbergbahn und den jetzigen Vulkanradweg in der Nachbarschaft von Hessens einst höchstgelegenem Bahnhof in Hartmannshain wohl still und leise abgebrochen und ihre Überreste als Bauschutt verwertet worden. Doch bekanntlich regte sich damals in der Bevölkerung in Hartmannshain scharfer Widerspruch gegen die Absichten, sich des bröckelnden Baudenkmals mit dem Abrissbagger zu entledigen. Seit vergangenem Jahr glänzt die behutsam restaurierte und sanierte Brücke nun wieder so wie in den Tagen ihrer Erbauung 1905.
Ohne das Engagement des 2017 gegründeten Fördervereins Historische Brücke Hartmannshain würde das Bauwerk zweifellos heute nicht mehr stehen. Am Donnerstag erfuhr dieses Engagement eine Würdigung von höchster Stelle. Anlässlich der Verleihung des Hessischen Denkmalschutzpreises in Schloss Biebrich in Wiesbaden, Sitz des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege, wurde der Förderverein mit dem Ehrenamtspreis des Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet. Die von Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn (Grüne), überreichte Auszeichnung ist mit insgesamt 7500 Euro dotiert.
„Wer diese schöne Brücke aus vulkanischem Gestein abreißen will, hat keine Ahnung von großer Architektur, regionaler Kultur und Geopark-Tourismus und sollte sich in sein Mauseloch zurückziehen“, zitierte Dr. Martina Schaad von der Hessischen Staatskanzlei in ihrer Laudatio einen verärgerten Leserbrief im „Lauterbacher Anzeiger“ von Anfang 2017, nachdem der geplante Abbruch öffentlich bekannt geworden war. Die Gemeinde Grebenhain habe in dem Glauben, dass die Brücke vor Ort niemanden mehr interessiere, den Beschluss zum Abriss gefasst und dabei unterschätzt, wie sehr die Hartmannshainer an „ihrer“ alten Brücke hingen. Es sei kein Wunder gewesen, dass sich schon kurz nach dem Durchsickern des Abrissbeschlusses eine Bürgerinitiative gegründet habe, um sich dem Kampf für die Erhaltung zu verschreiben.
„Der Kampf gegen den Abriss der Brücke aufzunehmen, bedeutete Mut und große Willensstärke, denn obwohl die Brücke als Baudenkmal ausgewiesen war, hatte die Denkmalschutzbehörde auf Antrag der Gemeinde Grebenhain bereits eine Ausnahmegenehmigung für einen Abriss erteilt. Daher musste der Verein rasch handeln. Das bedeutete zum einen, durch eigenen handwerklichen Einsatz den weiteren Verfall der Brücke aufzuhalten. In vielen Arbeitseinsätzen wurde dann auch Hand an die Brücke gelegt. Zunächst ging es darum, dass ständige Eindringen von Wasser in das Bauwerk zu verhindern und damit den weiteren Verfall der Brücke zu stoppen. Das bedeutete zum anderen auch, innerhalb kürzester Zeit ausreichend finanzielle Mittel einzuwerben, damit die Sanierung finanziert werden kann. Wer von Ihnen schon mal einen Antrag auf Fördermittel bei einer öffentlichen Verwaltung oder ähnlich strukturierten Organisationen gestellt hat, weiß, was die Hartmannshainer damals vermutlich noch nicht wussten: Es bedarf unzähliger Formulare, Informationen, Daten et cetera, bis ein Antrag vollständig ist, eingereicht werden kann und beschieden wird. Da nicht den Mut zu verlieren, es immer wieder zu versuchen, zeigt, dass die Hartmannshainer an ihre Mission geglaubt haben und ihre Brücke auf keinen Fall aufgeben wollten. Das verdient große Anerkennung und Bewunderung!“, so Dr. Martina Schaad.
Ein Ort mit nur wenig mehr als 200 Einwohnern, von denen bei 50 Mitgliedern fast jeder Vierte im Förderverein engagiert sein müsse, habe es geschafft, 33 000 Euro an Spenden einzuwerben. Daraufhin hätte auch das Landesamt für Denkmalpflege eine Großförderung zugesagt, und weitere Zusagen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Gemeinde Grebenhain sowie des Energieversorgers OVAG seien erfolgt. Eine weitere Herausforderung, nämlich diese eingeworbenen Fördermittel auch fristgerecht auszugeben, sei ebenfalls erfolgreich bewältigt worden. 385 000 Euro betrugen die Gesamtkosten für die Brückensanierung. „Heute präsentiert sich die in den Jahren 1905 bis 1906 entstandene Brücke im Detail modifiziert, aber sicher und gerüstet für weitere 115 Jahre. Wanderer und Radfahrer, die den Vulkanradweg passieren, können sich ebenso wie die Hartmannshainer über ein gelungenes Stück Heimat- und Kulturgeschichte freuen“, erklärte Dr. Martina Schaad.
Für den Förderverein Historische Brücke Hartmannshain bedankte sich Vorsitzender Gerd Köhler. „Die Nominierung durch die Jury für die exzellente Ausführung der Bauarbeiten, aber auch für unsere Vorarbeiten, um überhaupt eine schon bestehende Abrissgenehmigung in eine Sanierung umzuwandeln und möglich zu machen, ehrt uns sehr. Wir möchten uns bei allen Beteiligten und allen Spendern ganz herzlich bedanken“, so Gerd Köhler.
In der Kategorie Privates Bauen ging der zweite Preis an Rudolf Knierim für die Instandsetzung des „Hauses Helbig“ in der Altstadt Alsfeld. Der erste Preis in dieser Kategorie ging an Katja Berkling für ihr restauriertes früheres Tagelöhnerhaus in Marburg-Dilschhausen. Die Preise in der Kategorie öffentliches Bauen erhalten die Stadt Wächtersbach für ihr saniertes Schloss und die Technische Universität Darmstadt für die Restaurierung der alten Stadtmauer.
Carsten Eigner